Richards Briefe an Mathilde (Auswahl)
Umschlagbild:
Jörg
Aufenanger: Richard
Wagner und Mathilde Wesendonk.
Eine Künstlerliebe. Verlag Patmos
Glückliche Schwalbe, willst du brüten,
Dein eignes Nest bau'st du dir aus;
Will ich zum Brüten Ruh' mir hüten,
Ich kann's nicht baun, das stille Haus!
Das stille Haus von Holz und Stein -
Ach, wer will meine Schwalbe sein?
Herbst 1856
Richard
Wagner an Mathilde Wesendonk.
Tagebuchblätter und Briefe. 1853 - 1871.
Verlag von Alexander Duncker, Berlin 1904
Bevor ich mit einer kleinen Auswahl von Briefen Richard Wagners an Mathilde Wesendonck fortfahre, möchte ich an dieser Stelle zwei ganz spezielle "Briefe" anführen.
Richard Wagner und seine Zürcher Komponistenfreunde
Eine Sonate für das Album von Frau M. W.
Album-Sonate
1853: Klavier zu zwei Händen, Sonate As-Dur für
Klavier.
WWV 85, Mainz, B. Schott's Söhne, 1878
(Ruhig - Ruhig wie vorher - Nach und nach wachsende Bewegung - Erstes Zeitmaß)
Dieses Klavierwerk ist Wagners letzte Sonate - im Stil der Romantik komponiert. Seine beiden früheren Sonaten sind noch von Beethoven beeinflußt.
Diese einsätzige Sonate (pf;
3/4 ruhig) wurde am 20. Juni 1853 an Otto Wesendonck mit dem Vermerk
gesendet:
Um mein neues Schuldverhältnis zu Ihnen würdig und vertrauen-erweckend
anzutreten, zahle ich heute eine alte Schuld: geben Sie Ihrer Frau die
beiligende Sonate, meine erste Composition seit der Vollendung des Lohengrin
(es ist 6 Jahre her!).
In der Kopfzeile ist vermerkt: "Wisst ihr wie das wird!"
Die "Sonate für Mathilde Wesendonck"
wurde 1878 (1877?) veröffentlicht, um die Schulden bei Wagners
Verlag B. Schott's Söhne zu tilgen (vgl.
auch RISM-OPAC:
1860,
1870)
(22431, vgl.: Hofmeister
XIX Monatsberichte).
Dieses Stück wurde von Berghaus für Orchester bearbeitet und
ebenfalls hier veröffentlicht.
Eine Sonate für das Album von Frau M. W., WWV 85 (Wagner, Richard)
Später nannte er lt.
den Tagebüchern seiner zweiten Frau Cosima dieses kleine Werk eine "elegante
Nichtigkeit", obwohl es als gehaltvollstes Werk für Klaviersolo
gilt.
(Nach: Booklet CD: Richard Wagner und seine Zürcher Komponistenfreunde
sowie Richard
Wagner an Otto Wesendonk. 1852 - 1870. Alexander Duncker,
Berlin 1905)
Video bei YouTube
(13:30)
Klavier: Nina
Kavtaradze
MP3-Hörprobe (2:52/12:49) Quelle:
"Richard Wagner und seine Zürcher Komponistenfreunde",
MGB CD 6153. 1998. Mit freundlicher Genehmigung von Musiques
Suisses
Klavier: Christoph
Keller
Notenbrief für Mathilde Wesendonck
1856: Klavierwerk, unveröffentlicht
Im Autograph vom Dezember 1856 wird dieses Stück
als "Schlaflos" betitelt.
Aus dieser Zeit stammen die ersten musikalischen Skizzen zu "Tristan
und Isolde", so dass Ähnlichkeiten mit der Tristan-Motivik
nicht zu leugnen sind. Die Musik des "Notenbriefes" kann man
im "Liebes-Duett" des 2. Aktes der Oper wiederfinden.
Neben den symphonischen Werken sind auch seine Klavierwerke bis zum
heutigen Tag im Schatten seiner Opern geblieben.
(Nach: Booklet CD: Richard Wagner und seine Zürcher Komponistenfreunde)
MP3 (1:31) Quelle: "Richard Wagner und seine
Zürcher Komponistenfreunde", MGB CD 6153.
1998. Mit freundlicher Genehmigung von Musiques
Suisses
Klavier: Christoph
Keller
Und
meine liebe Muse bleibt mir noch fern? Schweigend harrte ich ihres Besuches;
durch Bitten wollte ich sie nicht beunruhigen. Denn die Muse, wie die
Liebe, beglückt nur freiwillig. Wehe dem Toren, wehe dem Lieblosen,
der, was sich freiwillig ihm nicht ergibt, mit Gewalt erzwingen will!
Sie lassen sich nicht zwingen. Nicht wahr? Nicht wahr? Wie könnte
die Liebe noch Muse sein, ließe sie sich zwingen?
Und meine liebe Muse bleibt mir fern?
Asyl, Mai 1857
Meinem Landesvater habe ich nichts zu sagen: wenn er
sich unterstehen wollte, mich in meinem Schwalbenneste zu besuchen,
würde ich ihm die Türe weisen. - Seine Farbe ist weiß
und grün; dies für Baur.
Die Muse beginnt mich zu besuchen: kündigt mir dies die Gewißheit
Ihres Besuches an? Das erste, was ich fand, war eine Melodie, die ich
erst gar nicht unterzubringen wußte, bis auf einmal dazu die Worte
mir aus der letzten Szene des "Siegfried" kamen. Ein gutes
Zeichen. Gestern ging mir auch der Anfang des 2. Aktes auf, und zwar
als - Fafners Ruhe, der ich ein humoristisch gemütliches Moment
abgewann. Das sollen Sie alles näher erfahren, wenn morgen die
Schwalbe kommt, ihren Bau zu besichtigen.
Rich. Wagner
Asyl, 21. Mai 1857
Nach einer wundervollen, mit fast zehnstündigem Goethischen Schlafe gesegneten Nacht, wünsche ich heitren, seligen guten Tag, schicke den Schack, und verspreche zu Abend recht schön vorzulesen, wenn Herr Otto nichts dawider hat.
Asyl, Herbst 1857
Da ist noch eine Winterblume für den Weihnachtsbaum, voll lauter süßem Honigstoff, ohne das mindeste Gift.
Asyl, Dezember 1857
Hochbeglückt,
Schmerzentrückt,
Frei und rein
Ewig Dein -
Was sie sich klagten
Und versagten,
Tristan und Isolde,
In keuscher Töne Golde,
Ihr Weinen und ihr Küssen
Leg' ich zu Deinen Füßen,
Daß sie den Engel loben,
Der mich so hoch erhoben!
Am Silvester 1857 R. W.
Asyl, 31. Dezember 1857
Begleitverse zu den Kompositionsskizzen des I. Aktes von "Tristan"
Damit man nicht bei Ihnen wieder in die Lage kommt,
schöne Märchen schlecht erzählen zu müssen, komponiere
ich im Hause Wesendonk beifolgendes Exemplar; denn schwarz auf weiß
ist etwas Herrliches.
Sie sehen, Sie werden mich noch nicht sobald los: ich niste mich in
Ihrem Hause so ein, daß, wenn Sie es selbst abbrennen, aus dem
geretteten Hausrate Ihnen eine sehr bekannte Stimme zurufen wird:
"'s war Zeit, daß wir rauskamen!"
Asyl, Winter 1857/58
Zum allerbesten habe ich nicht geschlafen, und war
soeben schwankend, ob ich trotz Vischer und Eis, heut' kommen würde.
Nun denke ich aber doch ein Stündchen noch einzusprechen.
Ich hab viel auf dem Herzen, - und alles ist doch wieder nur das Eine,
ohne das ich Ärmster keine Stätte auf dieser Welt mehr hätte.
Dies Eine!
Tausend Grüße.
Asyl, Winter 1857/58
Danke! Gut geschlafen, - es muß gehen! - Und
das Eine!
Schönsten Gruß
Asyl, Winter 1857/58
Allerbesten guten Morgen! Es geht so passabel. - Schönsten
Dank für alles Gute! - Ich denke, ich gehe stolz zu Fuß in
die Probe. Wenn es aber sein muß, nehme ich den Wagen für
¼ vor 2 Uhr an. Sie kommen dann schnell nach.
Gestern wollte ich das Beiliegende schicken!
Auf Wiedersehen!
Asyl, März 1858
Museum
Bärengasse Zürich: 19.06.2008: "Kunstwerk der Zukunft"
Blick in den Ausstellungsteil zur Zürcher Lebenswelt Richard Wagners
den stimmungsvollen Räumen im Parterre des Museums
Bild: Peter Hunkeler
Schönsten Dank für die herrlichen Blumen!
Der alte Stock, wohl gepflegt, steht noch in aller Pracht, drum hüt'
ich ihn noch.
- Gut, daß ich gestern den Akt noch fertig machte und abschickte.
Heute hätte ich nicht arbeiten können; der Katarrh hat sich
vermehrt, und etwas Fieber verläßt mich nicht. Sonst geht's
gut - und hell! Und wie geht's denn im Nachbarlande?
Asyl, 4. April 1858
Schönen Dank! - Ich habe noch immer etwas Fieber
und bin recht matt, denke aber doch noch heute von der schönen
Luft etwas zu genießen.
Besten Gruß!
Asyl, 5. April 1858
...... So ging's die ganze Nacht fort. Am Morgen ward
ich wieder vernünftig und konnte herzinnig zu meinem Engel beten,
und dieses Gebet ist Liebe! Liebe! Tiefste Seelenfreude an dieser Liebe,
der Duell meiner Erlösung! - Nun kam der Tag mit seinem üblen
Wetter, die Freude, Dich zu sehen, war mir versagt, die Arbeit ging
noch immer nicht. So war mein ganzer Tag ein Kampf zwischen Mißmut
und Sehnsucht nach Dir ......
Sei mir gut, das Wetter scheint mild, heut' komme ich wieder in Deinen
Garten, sobald ich Dich sehe. Ich hoffe Dich einen Augenblick ungestört
zu finden. Nun meine ganze Seele zum Morgengruß!
R. W.
7. April 1858
(Fragment des Briefes, den Minna erbrochen hat, der Anlaß zur
Katastrophe
war)
Mathilde
Wesendonck zu ihrem Verhältnis zu Richard Wagner
Der Brief - wie hat er mich traurig gemacht! Der Dämon
zieht aus einem Herzen in das andre. Wie ihn bewältigen? O, wir
Armen! Wir sind nicht unser eigen. Dämon, werde Gott! -
Der Brief hat mich traurig gemacht. - Gestern schrieb ich an unsre Freundin.
Wohl kommt sie nächstens herein. -
Dämon! Dämon! Werde Gott!
Mitte April 1858
Mir geht es passabel. Wie geht es der eifrigen Schülerin
des de Sanctis?
Danke vorläufig für den Servantes. Ich will mich so allmählich
wieder für die Arbeit stimmen. Mir winkt der zweite Akt.
Sehen wir uns heute?
Asyl, Ende April 1858
Ach das schöne Kissen! Aber zu zart!
So müd' und schwer mir oft auch der Kopf, wagt' ich ihn doch nie
draufzulegen, selbst nicht in der Krankheit; - höchstens im Tode!
Dann mag ich mein Haupt aber einmal so recht behaglich betten, als ob
ich ein Recht dazu hätte! Sie sollen mir dann das Kissen unterbreiten.
- Da haben Sie mein Testament!
R. W.
Asyl, 22. Mai 1858
Welche wundervolle Geburt unsres schmerzenreichen Kindes!
So müßten wir doch leben? Von wem wäre zu verlangen,
daß er seine Kinder verließe?
Gott stehe uns bei, uns Armen!
Oder sind wir zu reich?
Müssen wir uns einzig selbst helfen?
Asyl, 1. Juli 1858
Leb wohl! Leb wohl, Du Liebe!
Ich scheide mit Ruhe. Wo ich sei, werde ich nun ganz Dein sein. Suche
mir das Asyl zu erhalten. Auf Wiedersehen! Auf Wiedersehen! Du liebe
Seele meiner Seele! Leb wohl - auf Wiedersehen! -
Asyl, 16. August 1858
Ich sah Dich im Traume auf der Terrasse: Du warst in Männerkleidung und hattest eine Reisemütze auf dem Kopfe. Du spähtest nach der Richtung, in welcher ich verreist war; ich aber nahte von der entgegengesetzten; so wandtest Du den Blick immer von mir ab, und ich suchte vergebens, Dir meine Nähe anzuzeigen, bis ich denn leise rief: Mathilde! dann lauter, immer lauter, bis mein Schlafzimmer davon erklang, und ich vom eigenen Rufen erwachte. - Als dann wieder ein wenig zum Einschlafen und Träumen kam, las ich Briefe von Dir, die mir eine Jugendliebe bekannten; Du hattest dem Geliebten entsagt, doch priesest Du mir seine guten Eigenschaften; ich wurde dabei wie einer genommen, der Dich eben nur trösten sollte, - was mich etwas verdroß. Ich wollte diesen Traum nicht weiter aufkommen lassen, und stand auf, um diese Zeilen zu schreiben. - Den Tag über hatte ich heftige Sehnsucht gehabt, und eine schmerzliche Lebensungeduld hatte sich meiner wieder bemächtigt.
Aus: Tagebuch seit meiner Flucht aus dem Asyl. 23. August, 5 Uhr morgens
Bestes Geburtstagskind! Komme ich recht? Ist heut gerade
der 23.? Wohl stimmt vielleicht der Tag, aber das Geschenk? Was sollte
ich dem Kinde schenken? Ich bin jetzt so arm! Meine Habenquelle ist
so ganz versiecht. Wie das sein mag, guter Einfälle sich erfreuen,
sie zu Papier bringen, mitzuteilen, - se ist mir, als ob ich das schon
lange nicht mehr wüßte! - Nur so als letzter Abschluß
meines letzten (?) Werkes konnte mir noch etwas einfallen, und dies
ist auch wahrlich kein schlechter Gedanke gewesen. ...
Das ist denn nun ganz vortrefflich gelungen, und diesen geheimnisvoll
beruhigenden Schluß schicke ich Ihnen heute zum Geburtstag als
Bestes, was ich geben kann. ...
Nun sehen Sie, was Sie mit dem schwierigen Geschenke anfangen! ...
Ihr R. W.
Paris, 19. Dezember 1859
Beilage
zum Brief vom 19. Dezember 1859: Schluß zum Vorspiel von Tristan
und Isolde - gewidmet für Mathilde Wesendonck
Links
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Richard
Wagner an Mathilde Wesendonk: Tagebuchblätter und Briefe 1858-1871
(PD Dr. Wolfgang Krebs, Clemens Gresser, Deutsche Nationalbibliothek,
2000)
Richard
Wagner an Mathilde Wesendonk: Tagebuchblätter und Briefe 1858-1871
(A. Duncker, Berlin 1904, American Libraries)
Richard
Wagner to Mathilde Wesendonck (H. Grevel, London 1905, Canadian
Libraries)